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Wenn Betreuung in Bereicherung umschlägt – Haftung des (vermeintlichen) Testamentsvollstreckers nach fehlerhafter Vermögensverfügung

In einer Entscheidung vom 22. Juli 2024 (OLG Celle, 6 U 49/23) hat sich das Oberlandesgericht mit der Frage befasst, ob ein vermeintlicher Testamentsvollstrecker, der vom Nachlass Vermögenswerte an Dritte auszahlt, obwohl das zugrunde liegende Testament wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin von Anfang an unwirksam war, zivilrechtlich auf Schadensersatz haftet. Die Antwort: Ja – und zwar in doppelter Hinsicht.

In einer Entscheidung vom 22. Juli 2024 (OLG Celle, 6 U 49/23) hat sich das Oberlandesgericht mit der Frage befasst, ob ein vermeintlicher Testamentsvollstrecker, der vom Nachlass Vermögenswerte an Dritte auszahlt, obwohl das zugrunde liegende Testament wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin von Anfang an unwirksam war, zivilrechtlich auf Schadensersatz haftet. Die Antwort: Ja – und zwar in doppelter Hinsicht.

Gegenstand der Entscheidung war ein langjähriger Rechtsstreit um eine Erblasserin, die im März 2006 verstarb. Bereits seit mehreren Jahren zuvor stand sie wegen schwerer psychischer Erkrankungen unter Betreuung des Beklagten, der sich später in einem notariellen Testament, ausgestellt zwei Tage vor dem Tod der Erblasserin, selbst als Testamentsvollstrecker einsetzen ließ. Dieses Testament, das auch ein Vermächtnis an einen Dritten in Höhe von 30.000 Euro vorsah, wurde auf Initiative des Betreuers hin beurkundet, obwohl die Erblasserin nach den Feststellungen der Gerichte spätestens seit dem 13. März 2006 testierunfähig war. Der Beklagte nahm es billigend in Kauf, dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr in der Lage war, einen letzten Willen wirksam zu erklären. Gleichwohl ließ er sich später ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilen und zahlte auch rund 160.000 Euro an die im Testament eingesetzte Erbin, die Deutsche Krebshilfe, aus.

Das OLG Celle stellte klar: Wer sich in Kenntnis der Testierunfähigkeit einer betreuten Person als Testamentsvollstrecker einsetzen lässt und später aus dem Nachlass verfügt, kann sowohl aus § 2219 BGB (analog) als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zivilrechtlich haften. Entscheidend war im vorliegenden Fall die umfassende Tatsachenkenntnis des Beklagten: Als langjähriger Betreuer war ihm der kritische psychische Zustand der Erblasserin bekannt. Er wusste, dass sie in einer fortgeschrittenen Sterbephase weder kommunikations- noch entscheidungsfähig war. Dass er trotzdem die Beurkundung eines Testaments veranlasste und daraus auch eigene Vorteile zog, begründete seine zivilrechtliche Haftung.

Hervorzuheben ist, dass das Gericht in seiner Argumentation die Funktion des Betreuers über den Tod der betreuten Person hinaus in den Blick nahm. Nach der ständigen Rechtsprechung trifft den Betreuer auch nach dem Tod des Betreuten eine Vermögensfürsorgepflicht gegenüber den Erben (§ 1908i, § 1890 BGB). Diese Pflicht umfasst insbesondere die ordnungsgemäße Abwicklung des Vermögens und dessen Herausgabe. Wer sich hingegen auf ein unwirksames Testament beruft, obwohl er dessen Mangel kennt oder kennen muss, haftet für sämtliche darauf gestützten Verfügungen.

Im konkreten Fall musste der Beklagte daher nicht nur die an ihn selbst gezahlte Testamentsvollstreckervergütung und die Notarkosten zurückerstatten, sondern auch die gesamte Auszahlung an die Deutsche Krebshilfe erstatten, obwohl diese die Mittel bereits erhalten hatte. Maßgeblich war, dass diese Zahlung rechtsgrundlos erfolgte und den wahren Erben einen Vermögensnachteil zufügte.

Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll, dass die Rolle des Betreuers mit einer hohen rechtlichen Verantwortung einhergeht. Sie verdeutlicht zudem, dass sich auch ein vermeintlicher Testamentsvollstrecker nicht auf formale Wirksamkeit eines Zeugnisses berufen kann, wenn er aufgrund eigener Erkenntnisse von der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung ausgehen musste. Wer dennoch auf ein fehlerhaft zustande gekommenes Testament gestützt verfügt, riskiert nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch eine weitreichende zivilrechtliche Haftung. Selbst Jahre nach dem Erbfall.

Für die Praxis im Erbrecht bedeutet das: Sorgfalt, Transparenz und kritische Selbstprüfung sind unabdingbar. Besonders bei Testamentsvollstreckung und Betreuung. Andernfalls kann eine gut gemeinte Nachlassverwaltung schnell in persönliche Haftung münden.

Zu dem Thema sowie zu allen anderen erbrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Nummer 040/ 528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.

DISCLAIMER: Dieser Beitrag ersetzt keine umfassende steuerliche bzw. rechtliche Beratung durch einen Steuerberater und/oder Rechtsanwalt im Einzelfall. Es handelt sich um einen rein informativen Beitrag. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der in dem Beitrag verwendeten Informationen wird keine Garantie übernommen. Jegliche Haftung für Schäden, die ihre Entstehung in der Nutzung oder Nichtnutzung von Informationen in diesem Beitrag haben, wird ausgeschlossen.